A L E X I O S Vasilias - ein Mann mit Geschichte. Im wahrsten Sinne des Wortes. 700 vor Christus. Mit dem letzten Atemzug eines uralten Löwen entsteht ein neues Leben. Noch bis eben hatte der Löwe sich für unsterblich gehalten, aber nun wurde er eines Besseren belehrt - ausgerechnet von einem Mann, der halb Gott, halb Mensch war. Ein Sterblicher. Doch ganz vorbei ist es nicht, als Herakles siegessicher davonzieht. Der Atem des getöteten Löwen schwirrt in der Luft umher, seicht wie eine Melodie, wie der Klang eines Neuanfangs. Und bald darauf, auf einem Hügel irgendwo in Griechenland - oder vielleicht doch an einem ganz anderen Ort? -, formt sich die Energie in feste Bestandteile zurück. Aus Energie werden Knochen, aus Knochen werden Fleisch und Blut, daraus wird wiederum Fell.
Das war der Tag, an dem Alexios gemeinsam mit zwei Löwinnen geboren wurde. Er liegt schon weit zurück, so weit, dass er sich nur noch spärlich daran erinnern kann. Sie wuchsen zu dritt in einer Wüstenlandschaft auf, weit abgeschieden von Menschen und anderen Wesen. Spielerisch lernten sie, zu jagen und ihre Stärken und Schwächen einschätzen zu können. So passierte in ihren ersten Jahren nichts Außergewöhnliches. Nun, genau genommen passierte lange nichts Außergewöhnliches. Instinktiv wussten sie von der Existenz anderer Wesen, blieben jedoch in ihrer Wüste und bekamen so nur am Rande mit, wie sich die Menschheit weiterentwickelte. Doch eines Tages wurde das Fressen in ihrer Heimat knapp, und somit sahen sie sich gezwungen, weiterzuziehen und sich einen neuen Lebensraum zu suchen - zu dieser Zeit befanden sie sich ungefähr im Mittelalter. Diese Futterknappheit kam allerdings nicht von ungefähr, sondern war vielmehr ein Weckruf ihrer Urahnen, sich endlich hinaus in die Welt zu wagen. Eine schreckliche und gefährliche Welt, wie sie erfahren mussten. Mittlerweile hatten Alexios und seine Gefährtinnen schon weitere Nemeische Löwen mit normalen Löwen aus ihrem Lebensraum gezeugt und führten das Rudel an. Viele von ihnen fielen jedoch den Tücken des Mittelalters wie der Pest zum Opfer, andere - besonders die Jungen - erfroren, ebenso verstarben nicht wenige der weiblichen Löwinnen in ihrer Menschengestalt im Kindbett - so auch eine von Alexios' Gefährtinnen. Es wurde ihnen immer seltener möglich, sich in ihre Löwengestalt zu begeben, um nicht das Aufsehen der Menschen auf sich zu ziehen - und in ihrer Menschengestalt waren die Löwen nun einmal leichte Beute für den Tod. Zu dieser Zeit kam Alexios auch zum ersten Mal mit anderen mythischen Wesen in Kontakt, wie beispielsweise Hexen, Vampire und andere Gestaltwandler, und eignete sich einiges an Wissen über sie an.
Ständig zog das Rudel weiter, damit niemand merkte, dass sie nicht älter wurden, und verdienten sich ihr Gold mit verschiedenen Berufen - Alexios bot beispielsweise seine Dienste als Schmied an.
In der frühen Neuzeit hielt Alexios sich aus der Glaubensspaltung und Reformation heraus, als es sein Rudel und ihn mittlerweile bis nach Deutschland gezogen hatte, wo er nun lange Zeit blieb. Alles, woran er glaubte, waren der Tod und das Leben. Aus dem Dreißigjährigen Krieg konnte er allerdings nicht entkommen - der Alpha verlor darin die meisten seiner Söhne, und den beiden Löwinnen erging es ähnlich.
Kurz gesagt: Alexios erlebte es alles mit. Aufstieg und Fall des deutschen Kaiserreiches ebenso mit wie die Epoche des Imperialismus und die beiden Weltkriege, auch wenn er sich zu dieser Zeit bereits in den USA aufhielt. Aber ich will euch ja nicht noch weiter mit Geschichte langweilen, nicht wahr? Springen wir also am besten einfach zu dem Punkt, an dem es Alexios nach Yellstone verschlug. Zu dem Zeitpunkt hatte sich die Population der Nemeischen Löwen bereits auf nicht mehr als ein Dutzend zurückgezogen. Die Kälte und die Neugierde der Menschen machten ihnen zu schaffen. Doch wie sollten sie es verhindern, auszusterben, wenn sie in ihrer menschlichen Form noch schwächer waren als normale Menschen und es keine Möglichkeit gab, sich in Ruhe und Frieden in einen Löwen zu verwandeln? Die Antwort darauf hieß Yellstone. Die Stadt ihrer Träume, in welche Alexios sein Rudel vor ein paar Jahren führte. Hier können sie frei und unbeschwert leben und außerdem dank des Vertrags in Ruhe ihren Rachefeldzug gegen die mythischen Menschenwesen aus Griechenland planen, ohne selbst um ihr Leben fürchten zu müssen. Möglich macht's der Vertrag. Dieselbe Idee hatten allerdings auch die Kithaironischen Löwen, und das brachte Alexios und die Alphalöwin jenes Rudels auf eine Idee: Wenn sie sich vereinten und zusammenarbeiteten, könnten sie sich gegenseitig ergänzen und stärker werden - und außerdem die Population der mythischen Löwenwesen retten.
Alexios selbst legt sein ganzes Leben auf die Gemeinschaft des Rudels aus, das ihm wichtiger ist als sein eigenes Leben. Um auch in der Menschenwelt bestehen zu können, hat er in Yellstone eine Firma eröffnet, die Anzüge herstellt und vertreibt und bei weitem genügend Gewinn zum Leben abwirft. Soziale Beziehungen fallen ihm eher schwer, da er Angst hat, denjenigen wieder zu verlieren, wie es in der Vergangenheit schon so oft der Fall war. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Selbst ein uralter Löwe lernt nicht aus.